Am 18. Mai 2016 erhielt ich eine Nachricht über die Modeldatenbank, die mich dazu brachte, ein ungewöhnliches Fotoshooting zu organisieren. Fabienne hatte mich kontaktiert und war sehr interessiert an einem Outdoorshooting. Ihre Anfrage war schnell und dringend – sie wollte unbedingt noch am gleichen Tag ein Shooting machen. Nach einigem Überlegen und da das Wetter perfekt war, stimmte ich zu. Ein spontaner Fototermin ist schliesslich oft eine Gelegenheit für kreative Momente, besonders bei so herrlichem Wetter.
Ich holte Fabienne in Luzern ab und wir fuhren in Richtung Meggen, an den See. Schon während der Fahrt spürte ich, dass etwas nicht ganz stimmte. Fabienne wirkte irgendwie nervös, und es war mir etwas unangenehm, da sie eine sehr dünne Statur hatte, mit übertriebenem Make-up und zerknitterten Kleidungsstücken. Es kam mir ein wenig seltsam vor, doch ich versuchte, den Moment zu genießen und an das Shooting zu denken.
Am See angekommen, fing Fabienne sofort an, sich in verschiedenen Posen vor der Kamera zu präsentieren. Ihre Hemmungslosigkeit war fast schon befremdlich. Sie stellte sich in immer wieder neuen Outfits auf, ohne Scheu, und zog dabei durchaus die Aufmerksamkeit einiger vorbeigehender Passanten auf sich. Sie schien in ihrer Welt zu sein – unbeeindruckt von der Umgebung und den Blicken anderer. Während sie posierte, bemerkte ich, dass sie in gewisser Weise etwas abwesend wirkte, fast so, als würde sie unter dem Einfluss von etwas stehen. Es war schwer zu sagen, was genau der Grund für ihr Verhalten war. War sie einfach nur nervös, verwirrt oder tatsächlich unter Drogeneinfluss? Es fühlte sich jedenfalls nicht richtig an.
Nach ein paar Bildern kam ich zu dem Schluss, dass das Shooting nicht fortgesetzt werden sollte. Die Situation wirkte zunehmend unangenehm und ich konnte Fabienne keine Sicherheit mehr bieten, dass wir in der richtigen Atmosphäre arbeiten würden. Ich entschloss mich, das Shooting abzubrechen und sie auf ihren Wunsch hin zum Verkehrshaus in Luzern zu fahren.
Unterwegs versuchte ich, das Gespräch zu führen, um die Situation zu entspannen. Ich schlug vor, noch etwas zusammen zu trinken, vielleicht eine Cola – einfach, um den Tag ruhig zu beenden. Doch dann kam es zu einer weiteren überraschenden Wendung. Fabienne erklärte mir, dass sie leider kein Geld für das Shooting hätte und fragte, ob ich ihr die Cola bezahlen könnte. Diese unerwartete Bitte stellte mich vor die Frage, wie ich mit der gesamten Situation umgehen sollte.
Am Ende füllten wir gemeinsam einen TfP-Vertrag (Time for Print) aus, um die rechtlichen Dinge zu klären, und ich lud sie zum Getränk ein – allerdings war ich froh, als ich mich schliesslich auf den Heimweg machen konnte.
Reflexion: Nicht nur Models, auch Fotografen können sich unwohl fühlen
Dieser Tag hat mir gezeigt, dass Fotoshootings nicht immer so verlaufen, wie man es sich vorstellt. Häufig wird über das Wohlbefinden des Models gesprochen, aber was ist mit den Fotografen? Auch wir sind in einer sehr verletzlichen Position, wenn wir auf Menschen treffen, die uns vielleicht nicht ganz klar oder sogar unangenehm erscheinen.
Es ist wichtig, als Fotograf auch die eigene Intuition zu respektieren und die Atmosphäre zu hinterfragen, wenn etwas nicht stimmt. In solchen Momenten ist es entscheidend, ein verantwortungsvolles Vorgehen an den Tag zu legen – nicht nur im Hinblick auf die Sicherheit des Models, sondern auch in Bezug auf die eigene Arbeitsweise und das professionelle Umfeld.
Trotz allem bleibt mir dieses Shooting in Erinnerung als ein Beispiel dafür, wie sich unangenehme Situationen entwickeln können, und wie wichtig es ist, Grenzen zu setzen und auf das eigene Bauchgefühl zu hören.